Die Maus aus dem Anjou verjagen.

Wir haben unsere letzten Besuche im Anjou genutzt, um mit einigen Winzer:innen über das Mäuseln* und ihren Ideen zu dessen Vermeidung zu sprechen.
*Das Mäuseln ist ein mikrobiologischer Fehlton im Wein, der unter anderem an Mäusegeruch und Erdnussgeschmack erinnert. Er ist oft nur vorübergehend und betrifft vorwiegend Weine ohne oder mit sehr wenig Schwefel.
Wie alle Winzer:innen, die beschlossen haben, den Sprung zu wagen und so natürlich wie möglich zu vinifizieren, bilden auch die aus dem Anjou keine Ausnahme der Regel und sehen sich seit ungefähr zehn Jahren mit dem Erscheinen des Mäuselns im Wein konfrontiert. Am häufigsten passiert es während der Flaschenabfüllung, bei der der Wein größeren Mengen von Sauerstoff ausgesetzt ist, was dem Problem zugute zu kommen scheint. Aber manchmal zeigt sie sich auch während des Ausbaus im Tank oder Fass, was ein ernstes Problem darstellt, da die Maus nun dazu neigt, es sich im Wein gemütlich zu machen und sich in der Flasche langfristig einrichtet. Auch wenn die Maus von der Flaschenabfüllung ein vorübergehendes Problem ist und tendenziell nach einer Ruhephase des Weins aus der Flasche wieder verschwindet, ist die Dauer dieser Phase völlig aleatorisch. Es ist weder möglich zu sagen, wie lange es dauert, bis die Maus nach dem Öffnen der Flasche den Weg zurückfindet, noch mit welchem Zeitraum der Flaschenreife zu rechnen ist, um die Maus endgültig zu eliminieren. Aber es ist immer gut zu wissen, worauf wir uns einlassen, wenn wir eine Flasche öffnen, denn für alle, die Naturwein seit über einem Jahrzehnt trinken, scheint es lange her zu sein, dass wir eine offene Flasche sorgenlos für später aufheben, ohne die Bedrohung den Wein in den kommenden Stunden oder Tagen im Ausguss leeren zu müssen.
Noch gravierender ist das Problem, wenn man im Weinhandel und im Gastgewerbe arbeitet. Da wir vor allem Nicht-Weintrinker oder Liebhaber von konventionellen oder industriellen Weinen an die Vorzüge lebendiger Weine heranführen wollen, bereitet das Mäuseproblem echtes Kopfzerbrechen und trägt nicht gerade zur Demokratisierung dieser Art der Weinherstellung bei. Stellen Sie sich die Mimik eines Interessenten vor, der sich noch nicht mit "Naturwein" beschäftigt hat und dem wir erklären, dass die Flasche Rotwein, die er sich ausgesucht hat, zwar toll ist, aber innerhalb von 2 Stunden getrunken werden sollte, weil sonst eine Maus einzieht. Maus im Wein?! Was soll der Quatsch? ...
In Frankreich scheinen einige Regionen noch einigermaßen von diesem Problem verschont zu bleiben, dort, wo die Weinberge in Höhenlagen liegen und die Trauben mit einem relativ niedrigen PH-Wert geerntet werden, da ein guter Säuregehalt das Auftreten der Maus zu verhindern scheint.
Diese Maus ist schwer zu fangen, und da es keine eindeutige wissenschaftliche Antwort darauf gibt, wann und warum sie auftritt, muss jedes Weingut für sich und seinen Standort mit Tricks experimentieren, um sie zumindest in Schach zu halten. Lösungen, die kontinuierlich angepasst werden müssen, da mit jedem Jahrgang anders beschaffene Trauben in den Keller gebracht werden.
Wie jedes Mal, wenn wir Winzer:innen besuchen, haben wir auch unseren Besuch im Anjou genutzt, um über das Thema Mäuseln zu sprechen und die unterschiedlichen Versuche zu verstehen, diesem lästigen Problem auf die Spur zu kommen und es zu vermeiden.
Jérôme Lambert, ein Befürworter der schwefelfreien Weinbereitung, lässt seine Weine nicht nur ein bis zwei Jahre in der Flasche reifen, bevor er sie auf den Markt bringt, sondern hat auch beschlossen, sie nur bei einer Außentemperatur von mehr als 20 Grad in Flaschen abzufüllen, denn für ihn sind die Weine bei Kälte anfälliger für Sauerstoffanreicherung und damit für das Auftreten des Mäuselns, während sie bei einer höheren Umgebungstemperatur auf natürliche Weise vor dieser Sauerstoffanreicherung und damit vor künftigen Problemen geschützt sind. Wir müssen uns gedulden, um zu erfahren, ob diese Maßnahme ausreichend ist, denn im Moment haben seine 2020er Chenins ihren Zucker noch nicht verarbeitet. Kein Problem für seine 2018er, ein großartiger Jahrgang, seiner Meinung nach sein bester, den wir diesen Herbst erhalten werden.
Kenji und Mai Hodgson, die sich ebenfalls für schwefelfreien Wein einsetzen, verfolgen einen anderen Ansatz. Nach einem Besuch bei dem großen elsässischen Winzer Bruno Schueller, von dem sie auch ein Holzfuder mitgebracht haben (juchu!), haben sie beschlossen ihre Fässer nicht zu 100 % zu füllen, so wie Bruno, der seine Fässer immer entsprechend der Ernte füllt, sei es für seine Weiß- oder seine Rotweine, so dass er auch mal ein Fass halb leer lassen kann. Die Idee ist, die Weine ab dem Zeitpunkt der Reifung an den Sauerstoff zu gewöhnen, in der Hoffnung, dass die Weine dann die unvermeidliche Sauerstoffzufuhr bei der Abfüllung besser überstehen werden. 2020 scheint ein viel ausgewogenerer Jahrgang zu sein als der 19er oder 18er. Die Chenins, die wir aus den Barriques verkostet haben, sind sehr vielversprechend, und das Auslassen des Nachfüllens dieser, hat im Moment nicht die oxidativen Noten mit sich gebracht, die für diese Art der Reifung typisch sein können. Wir drücken die Daumen für den weiteren Werdegang, denn wir waren sehr begeistert von dem, was wir probieren durften.
Natürlich ist es unmöglich, das Problem des Mäuse-Tons im Wein zu diskutieren, ohne über Schwefel zu sprechen. Viele Winzer:innen beschließen, bei der Abfüllung homöopathische Dosen Schwefel hinzuzufügen, um die Weine zu stabilisieren und sicherzustellen, dass sie dieses Problem nicht haben. Als Konsument von Naturwein seit Mitte der 90er Jahre ist mir der Schwefel egal, solange ich ihn nicht rieche. Ich hatte das Glück, ein paar Mal denselben Wein mit und ohne Schwefel zu probieren, denn manche Importeur:innen bitten die Weingüter, ihren Bestellungen etwas Schwefel beizufügen, wenn der Transport beispielsweise sehr lang ist, und jedes Mal habe ich blind die ungeschwefelte Flasche bevorzugt. Aber ohne diese Vergleichsmöglichkeit ist meine Geschmackstoleranz gegenüber Schwefel mein einziges Kriterium bei der Auswahl der Flaschen. Für mich sollte Schwefel ein Problem der Winzer:innen bleiben, die meisten machen das nicht zum Vergnügen, sondern mit Blick auf die Verbraucher, die eine makellose Flasche genießen sollen. Einige handeln entsprechend ihres Geschmacks, da sie sehr empfindlich auf gewisse typische Fehler des Naturweins, wie flüchtige Säuren, Brettanomyces oder Mäuseln, reagieren. Andere aus mangelndem Vertrauen, wenn sie gerade erst in den Handel einsteigen, wiederum andere nutzen den Schwefel, wenn sie sich dazu gezwungen sehen, nur bei bestimmten Jahrgängen, den besonders komplizierten. Denn bei allem Willen zur respektvollsten Herstellung, sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich dabei auch um ihre persönlichen Investitionen handelt und dass viele von ihnen es sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten können, einen Teil ihrer Produktion zu verlieren, weil ein Fass anfängt, Mängel aufzuweisen, die es endgültig beeinträchtigen könnten. Und das Mäuseln ist nur eines der vielen Umstände, mit denen Winzer:innen stetig konfrontiert sind, alsbald sie sich für eine natürliche und nachhaltige Weinbereitung entschieden haben.
Trotz unserer Vorliebe für schwefelfreie Weine käme es uns nicht in den Sinn, die Weine eines Weinguts zu boykottieren, das sich gezwungen sah, Schwefel einzusetzen, nur um weiterhin von ihnen leben zu können, und das es vorzieht, einen Wein ohne Fehler anzubieten, während viele andere die Spannung und Toleranz des Marktes ausnutzen werden, auf dem die Nachfrage größer ist als das Angebot, um Weine zu vermarkten, die eindeutig nicht trinkfertig sind, aber dafür den Vermerk tragen, dass sie ohne Schwefelzugabe hergestellt wurden.
Bei fast allen Winzer:innen, die wir in Frankreich kennengelernt haben, wird der Schwefel entweder am Ende des Prozesses zugegeben, bei der Abfüllung, oder quasi zum Löschen des Feuers, dort wo ein Problem markant wird. In Italien zum Beispiel, fügen viele Winzer bereits zu Beginn der Gärung Schwefel hinzu, weil die Gärung den Schwefel "frisst", der dann in der Analyse nicht mehr nachweisbar ist, denn hier ist es geläufiger, dass bei Ende des Prozesses geschwefelter Wein nicht mehr wirklich der Bezeichnung Naturwein entspricht.
Dies entspricht dem Weg, den Jean-Marie Brousset von der Domaine La Vinoterie eingeschlagen hat. Jean-Marie leitete das Weingut Roches Sèches zusammen mit Julien Delrieu und Thibault Ducleux von 2010 bis 2016. Seitdem kümmert er sich um etwa 4 Hektar Weinberge. Um Mäuse oder andere Probleme in den Weinen zu vermeiden, zieht Jean-Marie es vor, wie in Italien, gleich zu Beginn der Gärung zu schwefeln, damit sich eine gute Auswahl an einheimischen Hefen durchsetzt und sich keine Bakterien ansiedeln können. Er bereitet ein "pied de cuve" (das Äquivalent eines Sauerteigstarters bei der Weinherstellung) in einer "dame jeanne" (ca. 40 L fassendes bauchiges Glasgefäß) vor, dosiert 2g/HL und gießt es in den ersten Gärtank, aus dem er ein weiteres "pied de cuve" entnimmt, um es wiederum dem zweiten Gärtank hinzuzufügen, und so fort. Insgesamt wird er 2 g Schwefel für etwa 130 HL verbraucht haben, was vergleichbar geringfügig ist. Danach kommt weiter keines zum Einsatz, die Gärungen werden in aller Ruhe ablaufen, und der Schwefel wird in den endgültigen Analysen nicht mehr nachweisbar sein, und auch für unseren Gaumen ist er bei allen von uns verkosteten und von uns sehr geschätzten Jahrgängen nicht mehr nachweisbar.
Das sind drei Beispiele unter vielen anderen, die zeigen, welche Probleme die Winzer:innen haben und wie ernst dieses Problem von ihnen genommen wird, denn solange das Auftreten der Maus ein Mysterium bleibt, hat sie nicht aufgehört, mit den Produzent:innen und Konsument:innen Verstecken zu spielen. Der Klimawandel und die steigenden Temperaturen, die den PH-Wert der Weine tendenziell erhöhen, spielen der Maus eindeutig in die Pfoten und machen die ohnehin schon harte Arbeit der Weingüter, die zusehends chaotischere Jahreszeiten zu bewältigen haben, noch komplexer. Wir plädieren für mehr Verständnis und Toleranz gegenüber den besonnenen Winzer:innen und ihren diversen Lösungswegen, um uns die bekömmlichsten, animierendsten Weine nachhaltig anbieten zu können. Wir sollten ihnen für all diese Arbeit danken, indem wir eines der angenehmsten Dinge der Welt tun, ein Glas eben dieser Weine trinken.